Die öffentliche Schule wird herausgefordert
Eltern sind sich heute stärker bewusst, dass der Qualität der Schule im Hinblick auf die Zukunft ihrer Kinder eine zentrale Rolle zukommt. Das Wohlbefinden und die Lernfortschritte ihrer Kinder im täglichen Unterricht verfolgen sie mit Interesse. Mütter leiden mit, wenn in einer Klasse offensichtlich Sand im Getriebe ist oder eine Schule als Ganzes mit fragwürdigen Experimenten auf sich aufmerksam macht.
Der hohe Anspruch an die öffentliche Schule hat aber auch ihre Kehrseite. Manche Eltern trauen der Schule nicht mehr zu, dass ihr Kind in einer grossen Klasse individuell aufs Beste gefördert werden kann. Sie erwarten, dass Lehrpersonen das Potenzial ihrer Kinder überall voll ausschöpfen und sind enttäuscht, wenn sich der erwartete Erfolg nicht gleich einstellt. Sie stellen fest, dass sich Lehrpersonen in ihrer aufwändigen Arbeit oft verzetteln und die Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen viel Zeit in Anspruch nimmt. Wohl nicht ganz zu Unrecht kritisieren viele Eltern, dass das Leistungsniveau in den Klassen sinke und begabte Kinder zu kurz kämen.
Ist Unterricht zuhause wirklich der bessere Weg?
Es überrascht nicht, dass die Idee des Homeschoolings zurzeit einigen Anklang findet. Manche Eltern mit pädagogischer Ausbildung sind überzeugt, dass sie ihren Kindern zuhause mit einer massgeschneiderten Grundbildung mehr bieten können. Auch die meisten Privatschulen punkten mit dem Argument, sie würden mit dem Unterricht in Kleingruppen und individueller Betreuung erfolgreicheres Lernen ermöglichen.
Im ausgezeichneten Beitrag von Tina Huber wird die Sorge dieser Eltern ernst genommen. Die Autorin sieht das Homeschooling als anspornende Herausforderung für das Bildungswesen. Unsere Volksschule hat zwar eine ganze Reihe von Trümpfen in der Hand, die ihr eine starke Position geben. Sie bietet den Kindern das Erlebnis, in einer Klassengemeinschaft mit vielfältigen Ideen und Meinung konfrontiert zu werden. Die Schule schafft gute Bedingungen, um das gemeinsame Lernen von Kindern in einem fairen Wettbewerb zu fördern. Und sie verfügt in der Regel über ein fähiges Lehrpersonal, das in einem farbigen Unterricht einiges zu bieten hat.
Verantwortung für eine gute öffentliche Schule mittragen
Doch wird die Schule diesem positiven Bild überall gerecht? Lehrermangel führt zur Anstellung ungeeigneter Lehrpersonen, das randvolle Bildungsprogramm mit den drei frühen Sprachen bringt oberflächliche Hektik in die Lernprozesse, stark verhaltensauffällige Schüler zehren an den Kräften der Lehrpersonen und Experimente mit selbstorganisiertem Lernen laufen aus dem Ruder. All das zusammen ist oft zu viel und wirkt sich auf das Niveau aus.
Die Bildungspolitik darf die bestens bekannten Missstände nicht länger ignorieren. Eltern wollen die Gewissheit haben, dass ihr Kind in der öffentlichen Schule eine tragfähige Grundbildung erhält und gut aufgehoben ist. Konstruktive Schulkritik ist deshalb ein unentbehrliches Instrument, um die vielen Baustellen endlich beheben zu können. Eltern und Politiker sind aufgefordert, sich dort einzumischen, wo offensichtlich etwas schief läuft.
Familiäre Geborgenheit ist der beste Erziehungsbeitrag der Eltern
Wie Tina Huber überzeugend ausführt, hat der Staat genau wie die Eltern ein elementares Interesse an der Erziehung der Kinder mitzuwirken. Er will eine gute Bildung sicherstellen, indem er auf kostengünstige Frühförderung setzt. Kinder sollen schon vor dem Kindergarten im Deutsch gefördert und in Kitas sozialisiert werden. Das hilft zweifellos Kindern mit fremdsprachlichem Hintergrund und verbessert deren Startchancen in der Volksschule. Staatliche Frühförderung ist aber kein Allheilmittel, um unsere Schulen erfolgreicher zu machen. Wie seriöse Studien zeigen, ist die Erziehung und Förderung der Kinder im Kreis der Familie noch immer die beste Grundlage für eine positive Einstellung zum Lernen. Familiäre Geborgenheit in der frühen Kindheit kann der Staat nur teilweise durch soziale Einrichtungen ersetzen.
Das öffentliche Bildungswesen muss sich wieder besser auf seine Kernaufgabe konzentrieren. Es gilt, den Leistungsauftrag der Volksschule stärker auf die grosse Mehrheit der unauffällig Lernenden auszurichten. Verlorenes Vertrauen der Eltern in die öffentliche Schule muss zurückgewonnen werden, indem die Schwachstellen offen angesprochen und pragmatische Lösungen gefunden werden.
Würdigung einer prägenden Lehrerpersönlichkeit
Immer wieder erfreut uns Carl Bossard mit seinen grossartigen Beiträgen über bedeutende Persönlichkeiten. Diesmal ist es ein Zuger Primarlehrer, der mit seiner Freude an Natur und Heimat die Schüler begeisterte. Lehrer Fridolin Stocker fand im geselligen Wandern, im Diskutieren beim Gehen und beim genauen Hinsehen auf Phänomene in der Natur ein didaktisches Konzept, um kreatives Denken anregen zu können. Die Schüler schrieben viel lebendigere Aufsätze, wenn der Lehrer mit ihnen vorher auf dem Schulhof auf und ab ging und Tipps zum Thema gab. Das Portrait zeigt eindrücklich, dass Lehrerpersönlichkeiten eine starke pädagogische Wirkung erzielen, wenn sie selber von einer Sache erfüllt sind. Der authentische Lehrer erreichte die Jugend, weil alle spürten, dass da einer Wesentliches zu sagen hat.
Aufnahmeprüfungen ins Gymnasium bleiben ein Dauerbrenner
Drei unserer Beiträge befassen sich mit den Aufnahmeprüfungen fürs Gymnasium. Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob die Prüfungsanforderungen in Corona-Zeiten gesenkt werden sollten. Alle Befragten lehnen dies ab, können sich aber eine nachträgliche Anpassung der Notenskala allenfalls vorstellen. Keinesfalls möchte man hingegen, dass der hohe Andrang in die Mittelschulen durch Niveausenkungen noch verstärkt würde.
Leserbriefschreiber Helmut Meyer greift einen entscheidenden Punkt auf, indem er den grossen Zulauf zu den Gymi-Vorbereitungskursen mit der vielerorts abnehmenden Qualität der Volksschule in Verbindung bringt. Er wirft der Bildungspolitik vor, bei manchen Reformen schulischen Randgruppen weit mehr Beachtung geschenkt zu haben als den lernwilligen Schülern. Diese Vernachlässigung der Mehrheit habe zu einem Vertrauensverlust in die Volksschule geführt.
Im Abschlussbeitrag werfen wir einen Blick auf den erheblichen Fachkräftemangel in Grossbritannien. Dieser ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der englische Staat zu wenig Engagement zugunsten einer guten Berufsbildung gezeigt hat. Wer die ausführliche Analyse liest, wird zweifellos feststellen, dass unsere Berufsbildung doch um einiges besser dasteht.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen und neue Erkenntnisse bei der Lektüre.
Redaktion Starke Volksschule Zürich
Hanspeter Amstutz