Medienmitteilung zum Anlass vom 27. September 2019
Schulintegration führt zu Bahnhofsstimmung im Klassenzimmer
Kinder mit Lernbeeinträchtigungen zeigen in Regelklassen zwar teils etwas bessere Leistungen, fühlen sich in Kleinklassen aber wohler. Weiter herrsche in integrierten Klassen oft regelrechte Bahnhofsstimmung, konzentriertes Arbeiten sei auch für gute Lerner teils nur mit Gehörschutz möglich. Während die schulische Integration den Kanton und die Gemeinden hohe Summen kostet, führe sie zu neuer Separation der schulisch Stärkeren und besser Betuchten. Diese und andere Schlüsse zogen drei Referenten an einer Veranstaltung am 27. September 2019 in der Helferei in Zürich, zu der der Verein «Starke Volksschule Zürich» eingeladen hatte, um über das Thema Kleinklassen zu diskutieren.
Zum dritten Anlass des Vereins «Starke Volksschule Zürich» in diesem Jahr fanden sich am 27. September 2019 rund 50 Besucher in der Helferei in Zürich ein, um über das Thema Kleinklassen zu hören und zu diskutieren. Als Einstieg erläuterte die erste Referentin und Heilpädagogin Dr. Eliane Perret den Werdegang und die Hintergründe zur Abschaffung von Kleinklassen. Eine Studie von Prof. Haeberlin (1991, Universität Fribourg) besage, dass die Lernfortschritte in der Regelklasse zwar besser seien, aber die schwächeren Schüler sich in der Kleinklasse dennoch wohler fühlten. Der zweite Aspekt, bemängelte sie, werde der Öffentlichkeit aber mehrheitlich verschwiegen.
Mit dem Gehörschutz im Klassenzimmer
Von der Theorie ging’s mit Yasmine Bourgeois umgehend in die Alltagspraxis. Die zweite Referentin ist selber Mittelstufenlehrerin und Mitglied der Kommission für Bildung und Sport im Zürcher Gemeinderat. An Beispielen, die sie selber erlebt hatte, führte sie den Anwesenden den schwierigen Alltag in integrativen Regelklassen vor Augen: Im Klassenzimmer herrsche eine Bahnhofsstimmung, es sei ein Kommen und Gehen und ein zeitgleiches Nebeneinander von verschiedensten Tätigkeiten. Kinder, die sich auf ihre Arbeit konzentrieren wollten, hätten oftmals Mühe und würden deshalb etwa in der Stadt Zürich mit Gehörschutz ausgerüstet. Die geschilderten Erlebnisse bestätigten die Erkenntnisse von Dr. Eliane Perret und zeigten auf, dass die Integration genau das generiere, wovon die Reformen die Sonderschulkinder befreien wollten: Stigmatisierung finde in Regelklassen erst recht statt.
Regelklasse ja, aber nur soweit möglich
Als Einschub unterbreitete Dr. Marianne Wüthrich, Berufsschullehrerin in Pension und Vorstandsmitglied des Vereins, dem Publikum rechtliche Grundlagen aus internationalen, nationalen und kantonalen Regelungen. Ihre Bilanz: Kleinklassen sind nach wie vor nicht verboten. Eltern hätten die Möglichkeit, mit den Gemeindebehörden eine Lösung für ihre Kinder zu fordern und zu finden. Weiter wies sie darauf hin, dass das Sonderschulkonzept des Kantons Zürich vorsieht, dass Sonderschulkinder «soweit möglich» in Regelklassen unterrichtet werden sollen aber nicht «um jeden Preis», wie es in der Praxis leider oftmals gelebt wird.
Einen gangbaren Mittelweg finden
Die Integrationsbemühungen lässt sich der Kanton ganz schön viel kosten. Dies zeigte der letzte Referent und Kantonsrat Marc Bourgeois auf. Er ist zudem Mitglied der Kommission für Bildung und Kultur. Rund 2 Milliarden Franken wendet der Kanton jährlich für unser Bildungssystem auf. Deshalb müsse genau hingeschaut werden, wofür das Geld ausgegeben wird. Anhand von Zahlen erläuterte Bourgeois, dass zwar ca. 50% der Sonderschüler in Regelklassen integriert wurden, aber gleichzeitig die Sonderschulquote massiv gestiegen sei. Die Integration habe also zu mehr Sonderschülern geführt. Das Problem sei grundsätzlich, dass sowohl der Erhalt der fragwürdigen Integration als auch Wiedereinführung von Kleinklassen massive Kosten verursachen. Es gilt, einen gangbaren Mittelweg zu finden, der den Schulkindern auf allen Leistungsstufen dienen muss!
Es muss sich etwas ändern
Die Diskussion im Anschluss verlief lebhaft und teils kontrovers. Einig aber waren sich im Saal alle vor allem in einem Punkt: Die Integration um jeden Preis hat einen zu hohen Preis. Es braucht eine Rückbesinnung auf ein gesundes Mass. Dazu sei aber zuerst das Volk gefragt. Der Verein «Starke Volksschule Zürich» ermutigt deshalb, dass betroffene Eltern sich in den Gemeinden und Bezirken zusammentun, ihre Politiker auf Missstände hinweisen und so ein Umdenken fordern.
Für weitere Auskünfte:
Timotheus Bruderer, Präsident Verein «Starke Volksschule Zürich»
timotheus.bruderer@bluewin.ch, 079 437 40 25