Nicht Schulreform, sondern Totalumbau
Liebe Leserin, lieber Leser
Wir freuen uns, Sie zum nächsten Vortragsabend des Vereins «Starke Volksschule Zürich» am 12. April einzuladen (siehe Veranstaltungshinweis). Hier wird Gelegenheit sein, mit Professor Mario Andreotti über eine ganze Reihe von Problemen ins Gespräch zu kommen, mit denen unsere Volksschule als Folge fragwürdiger Reformen behaftet ist. Einige der Knackpunkte sind auch Thema dieses Newsletters.
So die vielfach belegte Tatsache, dass mit kompetenzorientiertem und selbstorganisiertem «Unterricht» sowie den dazu «passenden» Lehrmitteln keine Sprachen gelernt werden können – weder Deutsch noch Französisch oder Englisch. Deshalb sehen sich Gymilehrer gezwungen, die Versäumnisse der Volksschule nachzuholen, indem sie zum Beispiel einen Grundkurs in französischer Grammatik durchführen. Hochschulprofessoren machen sich Sorgen, weil die Freude am Lesen – eine Grundvoraussetzung für jedes geisteswissenschaftliche Studium – im Getöse der Digitalisierung und im bildungsfeindlichen Learning to the test verlorengeht. Dass bei einem derart geschrumpften Bildungsverständnis die Königsdisziplin Latein am Aussterben ist, erstaunt nicht, denn hier geht es nun einmal nicht ohne einen disziplinierten Aufbau der Grammatik. Wer einen Sprachunterricht, der diesen Namen verdient, retten will, kommt nicht darum herum, bei der Ursache der Misere anzusetzen. Die Volksschule hat ihren Grundauftrag zu erfüllen, nämlich den einer guten Grundbildung für alle, so Professor Walter Herzog: «Allen soll ermöglicht werden, sich so viel Bildung anzueignen, wie es braucht, um in einer modernen Gesellschaft ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.»
Dieses Verständnis einer humanistischen Bildungsgerechtigkeit steht weit über dem mechanistischen Begriff einer Chancengleichheit, die unter anderem als absurde Begründung für die Abschaffung der Hausaufgaben in Primarschulen herhalten muss. Weil dann alle Kinder mit den wenigen Bildungs-Brösmeli zurechtkommen müssen, die sie in ihrer selbständig organisierten Lernzeit mit Googeln und einigen Tipps ihres «Coach» aufschnappen können?
Inmitten dieser Stürme in unserem Bildungssystem finden wir eine Verschnaufpause bei Carl Bossard, der den Leser beharrlich und geduldig zurück zum Wesentlichen führt, zum «Kerngeschäft», nämlich der gemeinsamen Zuwendung von Lehrerin und Schülern zu einem Lerngegenstand, in Musse und mit genügend Gelegenheiten zum Üben und Vertiefen. So schwierig zu verstehen ist das doch eigentlich nicht – oder?
Am 12. April wird Professor Andreotti zum Thema «Nicht Schulreformen, sondern Totalumbau» referieren. Wir freuen uns auf einen anregenden Abend mit lebhafter Diskussion. Jedermann ist herzlich dazu eingeladen.
Für den Verein «Starke Volksschule Zürich»
Marianne Wüthrich
Inhalt
- Nicht Schulreform, sondern Totalumbau
- Universitäts-Professoren sind tief besorgt
- «Es gibt gezielte Angriffe auf die Geisteswissenschaften»
- Mit dem Latein am Ende?
Leserbriefe zu «Mit dem Latein am Ende?» - Flucht aus dem Wesentlichen
- Chancengleichheit ist ein zweischneidiges Schwert
- «Keine Hausaufgaben bringen mehr Chancenausgleich»
Elternbrief der Primarschulpflege Regensdorf - In der Gymi-Frage zeigt man sich als Vater nicht immer von der besten Seite
- Einspruch! 2
- Veranstaltungshinweise
4.2019: Nicht Schulreform, sondern Totalumbau
4.5.2019: Time for Change? – Teil II: Im Hamsterrad