Nötig sind starke Lehrerinnen und Lehrer
Die jüngsten Beiträge namhafter Redaktoren grosser Zeitungen zur aktuellen Schulentwicklung lassen aufhorchen. Die Sonntagszeitung berichtet von zunehmendem Burn-out von Kindern im Primarschulalter. Im Kommentar nimmt der Chefredaktor kein Blatt vor den Mund. Arthur Rutishauser kritisiert die unsinnige Betriebsamkeitan unseren Schulen mit ihren überladenen Programmen und den überzogenen Erwartungen der Gesellschaft an die Möglichkeiten der Volksschule. Die Bestätigung, dass die Redaktion der Sonntagszeitung den Nagel auf den Kopf getroffen hat, kommt prompt in Form unzähliger Leserzuschriften mit eindrücklichen Schilderungen.
Andere Beiträge befassen sich mit den gefährlichen Dauerbaustellen unseresBildungssystems. Alles, was die Bildungspolitik schon jahrelang vor sich herschiebt, scheint auf einmal diskussionswürdig zu sein. Die fehlenden Heilpädagogen, das gescheiterte Sonderpädagogische Konzept, die Digitalisierung auf allen Stufen, Handyverbote an Schulen und eine bessere Medienerziehung füllen die Forumsseiten. Neu ist, dass die kritischen Beiträge zur Schulentwicklung dominieren. Da wirken die beschönigenden Stellungnahmen der Bildungsdirektion zum Lehrermangel oder zur erfolgreichen Umsetzung des Lehrplans 21 ziemlich blass dagegen.
Offensichtlich scheint die Phase der grossen Versprechungen durch eine realistischereSicht der Dingeabgelöst zu werden. Unzählige beginnen sich die Augen zu reiben und fragen sich, weshalb denn bei vielen Reformschritten der Erfolg noch immer auf sich warten lässt. Selbst bei einigen Lehrerverbänden scheint die Geduld über Reformen, bei denen die Ressourcen fehlen, am Ende zu sein. Ganz gewaltig rumort es bei den Zürcher Lehrerverbänden, die den superbürokratischen Berufsauftragam liebsten bachab schicken würden. Zu Recht schimpft die Basis über die Gängelung durch ein kleinkariertes Steuerungssystem, das die bisherige Eigenverantwortung der Zürcher Lehrerschaft untergräbt.
Doch Schimpfen allein nützt nichts. In Zeiten der pädagogischen Verunsicherung und des Ringens verschiedenster Akteure um die Führung in Schulfragen, braucht es eine klarvernehmbare Stimme der Lehrerschaft. Verunsicherte Eltern möchten wissen, was die Lehrerschaft von gewissen Reformen im Schulwesen hält. Ganz unverhohlen stellt die NZZ in ihrer neusten Bildungsbeilage die Frage, wer denn die Schulen regiert. Ist es der „bildungsindustrielle Komplex“ aus pädagogischer Wissenschaft und digitalen Konzernen, wie im Leitartikel ausgeführt wird? Sicher ist, dass eine kulturell verankertePädagogik ein zu hohes Gutist, um sie Betriebswirtschaftern und Theoretikern zu überlassen. Schulunterricht ist nicht einfach von oben herab plan- und steuerbar.
Die Lehrerschaft muss in Bildungspolitik und Forschung bei Grundsatzfragen als Dialogpartner auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Dazu braucht es einen besseren Zusammenschluss engagierter Lehrerinnen und Lehrer. Die Vertreter der Lehrerverbände dürfen einen fairen Kampf nicht scheuen, wenn es die Sache erfordert. Dabei müssen sie an Resultaten und nicht an Worten gemessen werden. Weit überzogene Bildungserwartungen sind zurückzuweisen und wichtige Neuerungen auf ihren pädagogischen Wert hin zu prüfen. Auch die Lehrerrolle darf mutiger interpretiert werden. Erfolgreiches Unterrichten erfordert gut gebildete Persönlichkeiten, die eine Klasse mit unternehmerischen Qualitäten führen können. Nicht brav Ausführende sind gefragt, sondernstarke Lehrerinnen und Lehrer mit unabhängigem Denken und pädagogischer Begeisterungsfähigkeit.
Liebe Leserinnen und Leser, unser aktueller Newsletter ist ein Spiegel gehaltvoller Beiträge zur aktuellen Schulentwicklung. Gewürzt wird das Ganze mit ausgezeichneten Leserbriefen auf den Forumsseiten der Printmedien. Die Lektüre lohnt sich.
Redaktion „Starke Volksschule Zürich“
Hanspeter Amstutz
Inhalt
- Nötig sind starke Lehrerinnen und Lehrer
- Bildungspanik und Schulstress
- Der bildungsindustrielle Komplex
- «Das ist vernichtend»
- Gesellschaftliches Umdenken tut not
- Schluss mit der Fixierung aufs Digitale!
- Lieber später in die 1. Klasse
- Jeder dritte Schüler leidet an Burn-out-Symptomen
Leserbriefe - Burnout bei Schülern nimmt erschreckende Ausmasse an
- Sind da wirklich einfach nur die Eltern schuld?
- Abwertung des Lehrerberufs
- Zu wenig Zeit, individuell zu fördern
- Vieles vergessen
- Postulat zur Sonderpädagogik im Kanton Zürich
Kommentar von Anita Borer - Veranstaltungshinweise
Öffentlicher Vortrag über aktuelle Schulreformen sowie den Lehrplan 21
Schule und Pädiatrie im transkulturellen Spannungsfeld
Bildschirmmedien und Kinder