Springe zum Inhalt

Newsletter vom 26. Januar 2025

Gute Bildung setzt konzentriertes Lernen voraus

Gute Bildung setzt konzentriertes Lernen voraus

Künstliche Intelligenz verstärkt Träumereien vom Lernen ohne Anstrengung

Spielerisches Lernen bei kleinen Kindern, wo jede Anstrengung in die Freude des Spiels eingebettet ist, beeindruckt uns immer wieder. Es liegt auf der Hand, dass man diese Leichtigkeit des Lernens in der Schule weiterführen möchte. Doch Lernen ohne jede Anstrengung ist ein verführerischer Traum, der nicht erst seit dem KI-Boom für viel Verwirrung sorgt. Sicher entlasten uns heute technische Hilfsmittel bei vielen Routinearbeiten. So hat uns die Einführung des Taschenrechners von mühseligen Rechenarbeiten befreit. Das Schreiben am Bildschirm schafft Möglichkeiten des raschen Umformens von Sätzen, wie dies vor fünfzig Jahren noch völlig undenkbar war. Auf all diese Erleichterungen möchte niemand verzichten. Und nun kommt die künstliche Intelligenz und schafft es, einen Grossteil der Bürokorrespondenz in jeder Sprache gleich selbst zu formulieren. Das ist zweifellos beeindruckend. Wenn man weiss, dass sich mittels KI noch weitere Felder der Arbeitserleichterung öffnen, sehen viele bereits den Beginn eines neuen goldenen Zeitalters.

Eine zentrale Frage ist, wieweit die digitalen Umwälzungen die Pädagogik verändern. Fördert der Einsatz von KI das kritische Denken und die Persönlichkeitsbildung? Mehr Leistung im ökonomischen Sinn heisst noch lange nicht, dass ein Gewinn an Bildung vorhanden ist. Grundlegende Kenntnisse und Urteilskraft wachsen nur, wenn wir uns gründlich mit gewissen Aufgaben auseinandersetzen. Das Navi im Auto ist sicher praktisch, aber den Orientierungssinn fördert es nicht. Dafür braucht es Übungen mit Landeskarten und vielleicht sogar ein paar Orientierungsläufe in einfachem Gelände.

Nachhaltiges Lernen gleicht einer Bergtour und nicht einer Seilbahnfahrt

Wenn Regierungsrätin Steiner glaubt, KI werde die Schüler vom Auswendiglernen von Französischwörtern befreien, irrt sie sich. Zwar sollte man sich nicht einzelne Wörter, sondern zusammenhängende Sätze einprägen, aber ohne die Anstrengung des Memorierens ist der Lernfortschritt gering. Lernen bedeutet, sich Begriffe zu merken, die Fakten zu ordnen und eine Sache verstehen zu wollen. Das alles sind Leistungen, welche stark von einem guten Arbeitsverhalten abhängen.

Christine Staehelin ruft in ihrem Beitrag in Erinnerung, dass anstrengendes Lernen den Menschen formt und seine Freiheit fördert. Dieses Aneignen wesentlicher Bildungsinhalte verschafft uns die Souveränität, uns in einer kompliziert gewordenen Welt besser zurechtzufinden. Doch kein Weg führt an konzentriertem Lernen vorbei, wenn man etwas richtig verstehen will. Die Autorin sieht im Verstehen quasi die Belohnung für eine gründliche und gut begleitete Auseinandersetzung mit der Welt.

Lernen kann man mit einer Bergtour einer Schulklasse vergleichen. Alle haben ein lohnenswertes Ziel vor Augen. Unterwegs schwitzt man, überwindet steile Abschnitte im Vertrauen auf die eigene Leistungsfähigkeit und geniesst die Berglandschaft. Beglückend ist die Ankunft auf dem Gipfel, wo alle mit einer herrlichen Aussicht belohnt werden. Natürlich kann man auch die Seilbahn nehmen, um das Bergrestaurant zu erreichen. Aber eine Fahrt auf den Berg ist nicht das Gleiche wie eine mehrstündige Ausdauerleistung.

Sorgen über einen Leistungsabbau und den möglichen Verlust einer guten Schule

Die Sorge um die Leistungsqualität der Bildung finden sich in mehreren Presseberichten der vergangenen zwei Wochen. Ein gegen den Willen der meisten Lehrkräfte angekündigter Umbau der Allgemeinbildung an den Berufsfachschulen hat eine riesige Protestwelle ausgelöst. Man hat offensichtlich genug von Experimenten, die als fortschrittlich gelten, in Wirklichkeit aber zu einem Leistungsabbau führen. Der Ausgang dieser bildungspolitisch bedeutenden Auseinandersetzung ist noch völlig offen.

Viel Staub aufgewirbelt hat auch ein Bundesgerichtsurteil über eine von der Stadt Wil finanziell unterstützte private Sekundarschule für Mädchen. Die innovative Schule ist bekannt für ihr leistungsförderndes Lernklima, entsprechend wird sie von Anmeldungen überhäuft. Da aber ein Angebot für Knaben fehlt und die Schule vom Bundesgericht trotz ihrer gelebten Toleranz als religiös bekennend eingestuft wurde, hat das Bundesgericht die Subventionen der Stadt als unzulässig bezeichnet. Kein Kritikpunkt für das Bundesgericht war die etwas fragwürdige Praxis der Schule, auf die Aufnahme von Realschülerinnen zu verzichten. Die renommierte Schule dürfte es nun schwer haben, ihren Betrieb weiterführen zu können.

Ein Schulleiter mit herausfordernden Integrationsaufgaben spricht Klartext

Spannend ist der Bericht von Alain Pichard über eine hochkarätige Veranstaltung an der Universität Zürich zur schulischen Integration. Dogmatische und praxisnahe Positionen prallten da offensichtlich ziemlich unversöhnlich aufeinander. Lehrpersonen beklagten sich, bei den Leistungszielen erhebliche Abstriche machen zu müssen, wenn einzelne Schüler den Schulbetrieb immer wieder massiv stören. Es erstaunt schon, mit welcher Nonchalance diese Belastungen von den Integrationsbefürwortern kleingeredet wurden.

Nach einem bemerkenswerten Bericht im «Tagi» über eine erfolgreiche Primarschule in Schwamendingen dürften jedoch selbst die eingeschworensten Integrationsexperten in Erklärungsnot geraten sein. Im Beitrag über die «beste Schule im Kanton Zürich» schildert Daniel Schneebeli erfolgreiche Integrationsmassnahmen in einer von Ausländerkindern geprägten Umgebung. Im Gespräch mit dem engagierten Schulleiter weist dieser darauf hin, dass leider immer wieder nicht integrierbare Schüler die Schule verlassen mussten. Wo diese Schüler ihre Schullaufbahn fortsetzen konnten, wird nicht erwähnt. Da es offiziell keine Kleinklassen in der Stadt Zürich gibt, liegt die Vermutung nahe, dass sie in einem teuren Sonderschulheim platziert wurden.

Weitere Themen in unserem Newsletter sind der Mangel an Lehrern in der Primarschule und ein Schulstreit über altersdurchmischtes Lernen in einer Gemeinde des Zürcher Unterlands. Auf Sie, liebe Leserinnen und Leser, wartet eine ganze Reihe spannender Texte.

Hanspeter Amstutz