Welche Schule für unsere Jugend?
Zu diesem Thema hatte ich kürzlich das Vergnügen, das Referat eines geeichten Pädagogen zu hören. Er konzentrierte sich ganz und gar darauf, welche Schule und vor allem was für Lehrer unsere Kinder benötigen, damit sie sich mit Freude und Mut dem Lernen zuwenden und zu rundum gebildeten Menschen werden können.
Die pädagogisch-psychologische Grundfrage der Beziehung zwischen dem Lehrer und seinen Schülern muss der Massstab sein für die Beurteilung jeder Lerntheorie und jedes Lehrplans. Schauen wir uns die vorliegende Textsammlung einmal daraufhin an.
«Junge Menschen brauchen ein Gegenüber, um das Denken zu lernen»
Der Autor des ersten Artikels setzt die Messlatte hoch – recht so! «Halt geben und gleichzeitig Freiheit ermöglichen», so beschreibt Carl Bossard die anspruchsvolle Aufgabe des Lehrers. Und: «Junge Menschen brauchen ein Gegenüber, um das Denken zu lernen». Das ist implizit auch eine Stellungnahme zum Sololauf in der digitalisierten Lernnische: Das iPad, die Lernsoftware sind kein Gegenüber, an dem Kinder und Jugendliche wachsen und denken lernen können, sondern nur ein Hilfsmittel mit einigem praktischen Nutzen, aber beschränkter Lernwirkung.
Besonders deutlich wird diese Tatsache am Riesentheater, das zurzeit um die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI) veranstaltet wird («Wissen statt Angst – wie ein Gymi KI einsetzt»). Tatsächlich bleibt der Computer nach wie vor lediglich ein Produkt des Menschen, der ihn programmiert hat, und ein Werkzeug für die Anwender. Die Begeisterung von Rektor Tobias Weber über den möglichen Einsatz von KI in seinem Gymnasium ist deshalb kaum nachvollziehbar. Selbstverständlich werden die Schüler «dümmer» (oder freundlicher ausgedrückt: sie lernen nichts), wenn sie sich den Lösungsweg zu ihrer Mathe-Aufgabe vorkauen lassen. Wirklich verstanden hat nur, wer die Lernschritte selbst macht, am Anfang unter Anleitung der Lehrerin, dann in eigener Regie.
Geradezu schädlich ist Lernsoftware für die Schüler, wenn ihnen vorgegaukelt wird, sie hätten das Rechenprinzip oder die Satzbauregeln verstanden, ohne den Stoff geistig durchgeknetet zu haben. Völlig absurd ist die Frage, ob man überhaupt noch Fremdsprachen lernen müsse, wenn doch die Sprach-Software die Vokabeln und Verbformen in Sekundenbruchteilen liefert. Ich selbst schätze das Übersetzungsprogramm DeepL sehr, wenn ich einen englischen Zeitungsartikel oder das Votum eines Genfer Parlamentariers ins Deutsche übersetzen will – wie viel Zeit man damit sparen kann! Aber ich habe diese Sprachen in der Schule gründlich gelernt und erkenne meist auch die «Böcke», die das Übersetzungsprogramm schiesst. Als Kind dagegen muss man eine Sprache Schritt für Schritt und mit einem sorgfältigen Aufbau des Lernstoffes im Klassenunterricht lernen. Besonders beim Lernen der Zweit- und Drittsprache ist das Risiko gross, dass Anfänger beim Herunterladen einen falschen Begriff oder Satzbaustein erwischen. Ohne dass ihnen jemand erklärt, warum das Wort nicht passt und welches adäquater wäre, ist das Lernergebnis Null.
Schliesslich finden Sie in unserer Textsammlung einen erhellenden Artikel von Jochen Krautz. Er entlarvt aus gesellschaftskritischer Sicht die fragwürdigen pädagogischen Theorien und die ökonomischen Motive, die hinter den bildungsverhindernden Reformprogrammen stehen.
NZZ-Chefökonom muss zugeben: Freie Schulwahl bringt keine bessere Bildung
Interessant ist die Analyse von NZZ-Redaktor Peter A. Fischer. Eigentlich möchte er die Werbetrommel für mehr Wettbewerb schlagen, um die Bildungsqualität in Europa zu verbessern. In diesem Sinne fordert er am Anfang seines Artikels, in Anlehnung an den neokonservativen Ökonomen Milton Friedman, Bildungsgutscheine und mehr Konkurrenz für die staatlichen Schulen durch Privatschulen. Allerdings klappt Fischers Vorhaben nicht ganz, wie er selbst feststellt.
Erstens, so Fischer, kann der Zusammenhang zwischen dem Wohlstand der Länder und der besseren Bildungsqualität (weil sich wohlhabende Eltern eher eine Privatschule leisten können) nicht belegt werden. Zum Beispiel sind Polen und Tschechien ärmer als Deutschland, aber ihre Schüler erbringen bessere Schulleistungen. Vielleicht weil das Bildungswesen in den Ländern des ehemaligen Ostblocks auch mehr als dreissig Jahre nach dessen Auflösung immer noch besser ist? Zweitens ist die Schulbildung in Ländern mit mehr Wettbewerb durch private Schulen (zum Beispiel Schweden) gar nicht besser als in Staaten ohne freie Schulwahl (Schweiz, Deutschland, Österreich).
Obwohl der Autor zugeben muss, dass seine ganze Argumentationslinie nicht gesichert ist, kommt er erstaunlicherweise zum Schluss, die europäischen Länder (auch die Schweiz) wären «gut beraten, den Wettbewerb zwischen privaten und öffentlichen Schulen sowie zwischen den öffentlichen Schulen untereinander zu fördern». «Gut beraten» durch die Bildungskonzerne? Unsere Volksschule hat aber das Wohl der Kinder ins Zentrum zu stellen. Statt sich starkzumachen für den freien Wettbewerb – und damit für noch mehr Chancenungleichheit! –, würden sich unsere Mainstreammedien gescheiter für eine bessere Bildung an der staatlichen Volksschule einsetzen.
Förderklassen als ein Weg zu einer besseren Bildung für alle Kinder
Um ihren Beitrag zur bestmöglichen Bildung für alle Kinder zu leisten, haben Eltern, Lehrerinnen und andere Bürger die «Förderklassen-Initiative» lanciert, die wir im Newsletter bereits vorgestellt haben. Freundlicherweise hat der Präsident des KMU- und Gewerbeverbandes Limmattal, Gregor Biffiger, der «Starken Volksschule Zürich» die Möglichkeit gegeben, in der Gewerbezeitung «Das Limmattal» vom Mai den Leitartikel zu dieser Initiative zu schreiben. Auch in seinem Editorial hat er das Anliegen unterstützt und den Unterschriftenbogen beigelegt. Die Zeitung ging an alle Haushalte im Bezirk Dietikon. Mit solchen vorbildlichen Aktionen könnten auch andere Zeitungsredaktionen zu einer Volksschule beitragen, deren Abgänger nach neun Jahren lesen, schreiben und rechnen können und rundum fit sind für eine Berufslehre oder eine weiterführende Schule.
Übrigens: Haben Sie die Förderklassen-Initiative schon unterschrieben? Sie finden den Bogen unter https://www.schule-mit-zukunft.ch. Die Sammelfrist dauert bis am 19. Juli, bitte rasch unterschreiben und einschicken!
Gender-Theorie: Was den Kindern an unseren Schulen zugemutet wird
Noch ein Wort zu unserem Veranstaltungshinweis. Statt den Kindern das notwendige Grundlagenwissen beizubringen, wird ein Teil der Lernzeit in der Volksschule dazu benutzt, sie mit sogenanntem «Sexualkundeunterricht» zu indoktrinieren, ohne dass die Eltern genügend über die Inhalte informiert werden. Ein Beispiel aus England können Sie in unserer Textsammlung lesen. Ein wahrer Horror! Diskutiert wird aber nur darüber, ob man die Kinder ab neun oder elf Jahren mit widerlichen Sexpraktiken und Anleitungen zur Geschlechtsumwandlung traktieren soll. Da tut es gut, dass die Ostschweizer Kinderärzte einen Vortrags- und Diskussionsabend zum auf- statt abbauenden Thema «Mädchen und Knaben – von Natur aus anders? Was sagt die Entwicklungspädiatrie und Genderforschung dazu?» an der Ostschweizer Fachhochschule in St. Gallen anbieten. Von Zürich aus ein Katzensprung.
Viel Freude beim Lesen an diesem trüben Wochenende wünscht
Marianne Wüthrich